VOLUME 3

Caro Jost, Irina Ojovan, Benjamin Bergmann 16 11 2017 – 09 01 2018

Die Ausstellung „Volume 3“ zeigt Arbeiten der in München lebenden Künstler:innen Caro Jost, Irina Ojovan und Benjamin Bergmann und ist zugleich die dritte Ausstellung der Galerie. Die hier gezeigten Arbeiten beschäftigen sich mit dem Thema Raum. Während die Künstlerin Caro Jost die Vergangenheit eines Ortes festhält, kreiert Irina Ojovan Bildräume, die keine Perspektive benötigen. Benjamin Bergmann isoliert alltägliche Gegenstände aus ihrer gewohnten Umgebung und setzt sie in einen neuen Kontext.

 

Bei Caro Josts „Streetprints“ handelt es sich tatsächlich um reale Abzüge von Spuren, die sich im Laufe der Zeit in Gehwegen und Straßen eingeschrieben haben. Dafür bereist die Künstlerin seit über 15 Jahren systematisch Großstädte wie New York, Berlin, Moskau oder Hong Kong. Die Auswahl der genauen Aktionsorte erfolgt nach bestimmten Kriterien, wie beispielsweise nach deren Bedeutung für Geschichte und Kunstgeschichte oder nach einem persönlichen Bezug von Jost zu dem jeweiligen Schauplatz. Ist der Ort, oftmals nach aufwendigen Recherchen gefunden, nimmt Caro Jost exakt dort mit einer speziell präparierten Leinwand einen Abdruck von der Straßenoberfläche auf, deren Risse und Furchen die Komposition auf der Leinwand ergeben. In diesem Abdruck sind alle Spuren festgehalten, die die Menschen im Laufe der Zeit dort hinterlassen haben: hastige oder langsame Schritte von Passanten und Anwohnern, Bremsspuren von Autoreifen, Bewegungen der Großstadt. Für einzelne Werkreihen überzieht Jost die weißen Streetprints im Nachhinein mit intensiven Farben (meist Schwarz oder Rot) oder Fotografien und Filmstills, die sie selbst am jeweiligen Schauplatz gemacht hat. Oft entdeckt man in ihren Arbeiten auch Zeitungsartikel von dem Tag, an dem der Abdruck entstand. Ort und Datum bilden auch die Titel ihrer Werke. Sie lösen im Betrachter eine Reihe von Assoziationen und Gefühlen aus. Was hat sich wohl auf dieser Straße, früher oder genau an diesem Tag ereignet? Jede Arbeit von Caro Jost birgt ein Arsenal an Geschichten und bildet einen Gegenpol zur Schnelllebigkeit der Welt. Während der Betrachter täglich mit einer Flut an Bildern und Reizen konfrontiert wird, lädt Jost zum Verweilen vor ihren Bildern ein. In der aktuellen Ausstellung in der Galerie von Rettberg zeigt Caro Jost aus der Serie „Babalu“ verschiedene 2 Meter lange, lineare Stelen. Es sind Streetprints ihres Münchner Atelierbodens, malerisch ergänzt mit geometrischen Strukturen, die an das Strassen-Gitternetz Manhattans erinnern.

 

Die Arbeiten von Irina Ojovan zeichnen sich durch eine feine und dennoch bestimmte Setzung von Farbtönen aus. Die Farbe existiert dabei nur für sich selbst: Sie muss sich keinen narrativen oder figurativen Formen und Linien unterordnen und ist befreit von der Struktur des Pinsels, seiner Bewegung und seinem Duktus. Die einzelnen, oft sanften Farbtöne drängen sich dem Betrachter nicht auf, wodurch sich das Bild erst beim genauen Hinsehen entfaltet. Zu Beginn jeder Arbeit wählt die Künstlerin die Farbe aus und kontrolliert ihre Anordnung in der Fläche, um sie dann später sich selbst zu überlassen. Diese Vorgehensweise bezeichnet die Künstlerin selbst als „kontrollierte Freiheit“.Nach und nach trägt sie jede einzelne Farbschicht auf, wodurch ein Bildraum entsteht, der keine gegenständliche Perspektive benötigt. Bei manchen Arbeiten gewährt die Künstlerin dem Betrachter durch eine Art Umschlag einen Blick auf die darunterliegenden Schichten. Oft hinterlässt sie noch Bleistiftlinien, die vielleicht für unvollendete Bildideen stehen und erst in der nächsten Arbeit zu Ende geführt werden. Ojovans Bilder sind für sie Manifestationen ihrer eigenen Gedanken und Assoziationen, die auf das Unausgesprochene im Leben verweisen.

 

Benjamin Bergmann beschäftigt sich in seinen skulpturalen Arbeiten mit der Doppeldeutigkeit alltäglicher Gegenstände. Diese werden aus ihrer gewohnten Umgebung isoliert, leicht verändert und in einen neuen Kontext gestellt. Dadurch gelingt es dem Künstler, die Vorstellungswelt des Betrachters zu irritieren und neue Dimensionen vertrauter Dinge zu eröffnen. Diese Irritation erzielt der Künstler nicht nur durch die Isolation der Gegenstände, sondern auch durch die Verwendung unerwarteter Materialien, wie beispielsweise Brot aus Gips oder Seile aus Messing. Auf seinen „Tafelbildern“ aus Bronze werden Wind und Wetter sichtbar, die sich im Laufe der Zeit in das Holz eingeschrieben haben. Sowohl in großen Installationen als auch in kleineren, skulpturalen Arbeiten entstehen bühnenhafte Situationen. Bergmann lässt die Werke bewusst deutungsoffen, so dass sie für den Betrachter aus verschiedensten Blickwinkeln zugänglich bleiben. Die Interpretation findet somit in der Vorstellungswelt des Betrachters statt, der die Geschichte der Bilder zu Ende erzählen muss: Wohin führt beispielsweise in der Arbeit „Hilfe von oben“ das Seil? Bringt es tatsächlich die ersehnte Erlösung? Wie so oft steht auch hier die große Frage im Raum: „Was wäre, wenn?“ Vor seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München absolvierte Bergmann eine Ausbildung zum Holzbildhauer. Diese Ausbildung ist in vielen seiner Arbeiten noch heute spürbar, wie beispielsweise im plastischen Umgang mit Raum und Volumen und deren Veränderung durch das Hinzufügen und Wegnehmen von Material. Benjamin Bergmann lenkt den Blick des Betrachters auf die vertrauten Dinge und Abläufe des Alltags. Der Zufall und das Unfertige sind dabei Programm, die Schönheit liegt im Unperfekten. Bewusst strahlen seine Arbeiten einen unfertigen Charakter aus. Sie wirken fragil und instabil und erinnern dabei an die Brüchigkeit eigener Erwartungsmuster.

Künstler:innen

Caro Jost

Irina Ojovan

Benjamin Bergmann