Irina Ojovans Kunstwerke lassen sich als konkrete Gedanken begreifen. Den Ausgangspunkt bilden eigene Erinnerungen und visuelle Empfindungen, die sie auf Leinwand oder als Skulptur in ihre reinste Form übersetzt. Dabei bleibt kein Pinselstrich sichtbar, sodass der Prozess des Malens erst auf den zweiten Blick erkennbar und die Farbe selbst zum Bildsujet wird.
Seit 2016 deutet sich in Irina Ojovans Kunst eine immer lauter werdende Tendenz zu einer reduzierten Farbpalette aus vorwiegend dunklen Tönen an. Dass dabei vor allem die Farbe Schwarz immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird in der Einzelausstellung „blackitout!“ bereits im Ausstellungstitel deutlich. Im Vordergrund stehen Positionen in Öl auf Leinwand, die anlässlich für diese Einzelpräsentation entstanden sind. Die Arbeit ihrer Diplomausstellung „Sarmizegetusa N 33“ (2018, Öl auf Leinwand, 200×170) deutet das Interesse für eine reduzierte Farbsprache bereits an und bildet dadurch den Ausgangspunkt der Ausstellung.
Ojovans Kunstwerke beginnen mit einer klaren Strategie. Ihnen geht eine detaillierte Planung voraus, in der keine Pinselbewegung dem Zufall überlassen wird. Schritt für Schritt werden einzelne Farbschichten auf die zuvor exakt komponierte Bildfläche aufgetragen. Dabei kommt es immer wieder zu Phasen des Innehaltens, um die Balance zwischen Wegnehmen und Hinzufügen nicht zu verlieren. Das Spektrum ihres Farbauftrags reicht von opaken Schichten bis hin zu transparenten Farbflächen, die einzelne Felder ineinander verblenden, sodass feine Übergänge entstehen. Ein glänzender Farbauftrag erfordert einen Wechsel des Blickwinkels, da er sich erst völlig im Gegenlicht formen kann. In diesem Zusammenspiel aus gedeckten und transparenten Farbnuancen bleiben selbst in tiefschwarzen Kompositionen Licht- und Schattenräume erhalten.
Inspiration für ihre geometrischen Abstraktionen findet die Künstlerin durch ein aufmerksames Beobachten ihrer Umwelt. Geometrische Wandgestaltungen italienischer Sakralbauten, wie der Kathedrale San Lorenzo in Genua oder Säulenfundamente der rumänischen Ausgrabungsstätte Sarmizegetusa, können zum Vorbild für ihre Kompositionen werden. Indem sie diese Eindrücke in eine selbstständige, minimalistische Bildstruktur übersetzt, werden sie zu eigenen Erinnerungen an den Malprozess selbst. In Irina Ojovans Kunst geht es nicht nur um das Sichtbare, sondern ebenso um Leere und Abwesenheit. Auch in der Präsentation ihrer Arbeiten setzt die Künstlerin auf Klarheit und Symmetrie. Das Form- und Farbschema ihrer Kunstwerke wird in der Installation in der Galerie Rettberg aufgegriffen, sodass die einzelnen Galerieräume miteinander verbunden werden. In dem Kontrast zwischen Ojovans minimalistischer Kunst und den Altbauräumen der Galerie gelingt der Künstlerin ein Gesamtkonzept, das die einzelnen Räume miteinander abstimmt, ohne dabei die Eigenständigkeit der Kunstwerke aufzugeben.