freude

Boban Andjelkovic, Gülbin Ünlü 17 05 2019 – 29 06 2019

Der Titel der Ausstellung steht für die Freude am künstlerischen Prozess und am Experimentieren mit Material und Technik, aber auch für das Spiel mit Erwartungshaltungen. In ihrer Kunst betonen Gülbin Ünlü und Boban Andjelkovic Energie, Zufall und das Nicht-Perfekte. Zugleich verbirgt sich hinter ihren Arbeiten ein feines Gespür für zeitgenössische Themen. Ohne zu belehren oder zu verurteilen gelingt es der Künstlerin und dem Künstler, aktuelle Fragen in einer subtilen Bildsprache mit oftmals humorvollem Unterton zu erzählen.

 

Boban Andjelkovic schlägt in seiner Kunst keine Umwege ein. Auf den ersten Blick erscheinen seine Arbeiten unbändig, spontan und direkt. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch schnell deutlich, dass sie Resultate einer genauen Beobachtung sind und ihnen ein feines Gespür für Farbe, Form und für die malerische Geste zugrunde liegt. Die Malerei ist für Boban Andjelkovic unkontrollierbar und fordert von ihm vollen Körpereinsatz. Der expressive, malerische Prozess setzt Können und Erfahrung voraus: Die Farbe wird sparsam oder pastos hingeworfen, gekratzt, gestrichen und mit zeichnerischen Momenten kombiniert. Am Ende tummeln sich fantasievolle Wesen in grellen Farben vor undefinierbaren Hintergründen. Sie erinnern an Menschen und Tiere, Verkörperungen aus Kunstgeschichte und Popkultur. Hinter diesen manchmal humorvoll bis grotesk anmutenden Figuren verbirgt sich eine nachdenkliche Haltung. In der Ausstellung „freude“ präsentiert der Künstler Arbeiten aus seiner neuen Serie „Süper Elixier“ (2019). Darin setzt er sich mit der Bedeutung von Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten von KünstlerInnen auseinander. Ihr Einfluss wird oft unterschätzt und nicht selten landen ihre Namen als Fußnoten in den Biographien der großen Meister.

Boban Andjelkovic nähert sich diesem sensiblen Thema malerisch auf Leinwand und Papier. Dabei sind es vor allem die großformatigen Arbeiten, die etwas Entwaffnendes in sich tragen. Im Vergleich dazu wirken die Positionen auf Papier durch ihre Haptik und den sparsamen Farbauftrag feiner und fragiler. Der Künstler baut die Serie mit vier immer wiederkehrenden Motiven auf. Diese Komponenten werden entweder einzeln dargestellt oder miteinander kombiniert: Eine weibliche Gestalt, die meist den gesamten Bildraum einnimmt und eine zweite, männliche Figur mit Stiefeln und Hut. Hinzu kommt das „Süper-Elixier“, das entweder als Schriftzug oder in Form eines Tropfens immer wieder in den einzelnen Bildern auftaucht. Es steht für die Verbindung zwischen Boban Andjelkovic und seiner Frau, der er diese Serie widmet.

Die Serie „Süper Elixier“ zeichnet sich durch eine stärkere Auflösung des Bildraumes aus. Bildhintergründe werden weggelassen, während die Farbe noch expressiver und noch schneller aufgetragen wird, wodurch Figur und Text immer mehr in ihren Farbverläufen verschwimmen. Neu in der Serie ist auch das Spiel mit Sprache und Schrift. Sprache ist nicht mehr nur klanggebendes Kompositionselement. Boban Andjelkovic löst die Schrift aus ihrem inhaltlichen Kontext und erhebt sie zum Bildgegenstand. Buchstaben werden neu miteinander kombiniert, weggelassen und für die Assoziationen des Betrachters freigegeben.

 

Gülbin Ünlüs Kunst zeichnet sich durch ein unermüdliches Streben nach neuen Ausdrucksformen aus. Das ist auch einer der ausschlaggebenden Gründe, warum die Galerie Rettberg bereits seit Gülbin Ünlüs Diplom (AdBK München, 2018) eng mit ihr zusammenarbeitet.

Unverwechselbar sind Gülbin Ünlüs Aquarelle, die sie mit einer selbst entwickelten Technik mit Druckertinte auf Papier kreiert. Diese Arbeiten präsentierte die Künstlerin bereits in der Gruppenausstellung „akkord“ neben Arbeiten von Timur Lukas und Martin Wöhrl (Juli bis September 2018). Ähnlich der Protagonisten in Gülbin Ünlüs Bildwelten, befinden sich auch ihre Arbeiten in einem Zwischenzustand.

Auch in der Ausstellung „freude“ wird ihre künstlerische Vielseitigkeit sichtbar. Neben Aquarellen mit Druckertinte präsentiert Gülbin Ünlü zwei neue Serien, für die sie zwei völlig unterschiedliche künstlerische Verfahren entwickelte: In den Stickarbeiten werden zwei traditionelle künstlerische Techniken umfunktioniert und miteinander kombiniert. Ergänzend dazu zeigt die Künstlerin eine Skulptur aus Jutestoff, in der sie dieses Verfahren in den dreidimensionalen Raum hinein erweitert. Für die neue Serie der „Reflektorbilder“ arbeitet Gülbin Ünlü mit Reflektorfarbe auf grauem Papier. Auf den ersten Blick wirken diese Arbeiten monochrom und unscheinbar. Nur in bestimmten Lichtverhältnissen oder durch den Blitz einer Kamera geben sie ihre Gestalt preis.

Mit Leichtigkeit scheint es Gülbin Ünlü zu gelingen, zeitgenössische Themen in einer subtilen Bildsprache zu erzählen. Sowohl technisch als auch thematisch stellt sie festgefahrene Muster und Traditionen in Frage und richtet sich gegen den Optimierungswahn unserer Zeit. Ihre Arbeiten drehen sich thematisch um das ambivalente Verhältnis des Menschen zu Tier und Natur. So sind die Motive der neuen Aquarellarbeiten angelehnt an die Human-Animal Studies. Sie basieren auf animalischen Verkleidungen, die seit Generationen für Winteraustreibung oder Rituale gegen böse Geister verwendet werden.

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