Britta Rettberg präsentiert in der zweiten umfassenden Einzelausstellung von Patrick Ostrowsky eine Reihe neuer Arbeiten. Die erste Serie der „reliefs“ umfasst kleinformatige Wandarbeiten aus wiederverwendeten Holzbodenplatten, auf denen sich zahlreiche Schichten von Materialien wie Epoxid, Zement oder Pigment verbinden. Diese Materialien werden über kleine kastengerahmte Trägerstrukturen gegossen, wodurch sich eine halbtransparente abstrakte Malerei-Skulptur bildet. Die zweite Gruppe der „almsboxes“ versammelt Wandarbeiten, die wie kleine Schränke, Briefkästen oder andere verschließbare Behälter aussehen. Einige von ihnen lassen einen Blick ins Innere zu, andere enthalten perforierte Bleche, die die Oberfläche bedecken, während wieder andere mit Plexiglas versiegelt sind und ein Sammelsurium von Objekten und Schutt enthalten. Die dritte Werkreihe besteht aus einer Gruppe von sechs überlebensgroßen Bodenskulpturen mit dem Titel „Structures of Existence“.
Skelettartige Metallumrisse in Form von Zellen/Kästen muten wie ein virtueller Schrein an. Man kann sie auch als eine Art Zeitreisegerät betrachten, in das ein normal großer Mensch eintreten kann. Darüber hinaus sind sie aber auch einzigartig in dem, was sie in ihrem Rahmen beherbergen. In einigen sind Holz- oder Acrylverkleidungen integriert, in anderen befinden sich Keramikobjekte auf Regalen, wieder andere beinhalten Beleuchtungskörper, während eine andere Gruppe von Zellen Ready-Mades wie Basketballkörbe oder Kerzen, ein iPhone oder einige Münzen enthält. Das Auge kann nicht anders, als zwischen Haushalts- und Alltagsgegenständen und abstrakteren Elementen wie Farbklecksen, Inschriften, malerischen Oberflächen oder Keramikfiguren, die als Kerzenständer dienen, hin und her zu springen.
Allen Werken der Ausstellung ist gemein, dass sie Geschichten erzählen: von Erlebnissen, Déjà-vus und persönlichen Eindrücken, ohne dabei eine bestimmte Person zu porträtieren. Sie berühren eine gemeinsame Erfahrung von Vergangenheit und Gegenwart, aber mehr noch, sie initiieren einen poetischen Tanz zwischen figurativen und abstrakten Momenten, sie fragen nach dem Wo und Jetzt und stoßen am Ende auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Was bedeuten diese Objekte für dich, wer hat sie hier hinterlassen, was zeigen sie dir. Der Akt, mehr herausfinden zu wollen, neugierig zu sein oder die verborgene Geschichte hinter all diesen Objekten aufdecken zu wollen, bildet den Kern dieser Installation. Das Erfrischende an diesem Dialog ist, dass wir nicht nur zurückgelassene, gebrauchte Objekte betrachten, sondern dass wir immer wieder durch kleine künstlerische Interventionen aus einer eher didaktischen Lesart herausgerissen werden. Unsere neugierige Suche nach einer Version der Wahrheit wird regelmäßig durch einen Moment des Wehklagens über eine kunstvolle Vase dort oder ein Gemälde hier unterbrochen. Ein äußerer Rahmen, der dazu einlädt, den inneren zu untersuchen. Ein staunendes Hin und Her, zwischen Mikro und Makro, zwischen Kunst und Leben.
Samuel Leuenberger ist freier Kurator, Kurator des Parcours-Sektors der Art Basel und der Fondation Beyeler Basel sowie Gründer und Direktor von SALTS, einem gemeinnützigen Ausstellungsraum in Birsfelden, CH.